Mit dieser Ausgabe startet eine neue Reihe zur Geschichte unserer Pfarrkirche. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wird die Zeit etwa von 1500 bis 1650 beleuchtet. Diese Geschichten basieren auf einer Doppel-Kirchenführung aus Anlass des 375jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens im Oktober 2023.
Teil 1: Zeitenwende – die Situation um 1500
Als am 27. Februar 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz in der Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine seine vielbeachtete Regierungserklärung hielt, in der er das große Wort von der Zeitenwende prägte, meinte er nichts weniger damit als einen (kompletten) Wechsel in der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik. Solche durchaus bedeutsamen Grundsatzänderungen hat es sicherlich des Öfteren gegeben, aber eine wirklich große Zeitenwende fand vor bereits etwa 500 Jahren statt: der Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit.
Gerne wird zu diesem Epochenwechsel das Jahr 1500 herangezogen. Tatsächlich war es aber eine ganze Reihe von wichtigen Ereignissen, die den Übergang in die Neuzeit markierten. Zunächst sorgt eine bahnbrechende Erfindung für eine rasante Verbreitung von Schriftstücken, die bis dahin nur handschriftlich verfasst worden sind: der Buchdruck mit beweglichen Lettern von Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts in Mainz. In diese Zeit (1453) fällt auch ein wichtiges (kriegs-)politisches Ereignis: die Eroberung der bedeutenden christlichen Metropole Konstantinopel. Mit ihrem Fall findet das Oströmische Reich (Byzantinisches Reich) sein Ende. Im Jahr 1492 bricht der Seefahrer Christoph Kolumbus in Spanien auf, um einen alternativen Seeweg nach Indien zu finden. Dabei entdeckt er zufällig einen neuen Kontinent. Das alte Weltbild in Europa wird (nach und nach) auf den Kopf gestellt. Auch in Sachen Kunst, Kultur und Architektur beginnt eine neue Zeitrechnung, zumindest in Italien. Hier befindet man sich bereits in der Renaissance, während nördlich der Alpen noch die Gotik vorherrscht.
Und die Kirche? Sie befindet sich um 1500 auf einem Höhepunkt der (weltlichen) Macht. Die Päpste, insbes. Alexander VI. (1492-1503) regieren und intrigieren scheinbar nach Belieben. Und planen Großes: Ein neuer Petersdom soll in Rom gebaut werden, größer und prächtiger als alles bisher Dagewesene, so Papst Julius (1503-13). Und für die Finanzierung hat man sich etwas „Besonderes“ ausgedacht: den Ablasshandel, also ein Freikaufen der Gläubigen von ihren Sünden. Auch im Deutschen Reich blühen Kirche und sakrale Kunst. Bildhauer wie Tilman Riemenschneider (+ 1531) prägen diese Zeit. Reihenweise neue Altäre werden geschaffen. Auch im Raum Osnabrück sind Künstler aktiv. Viele der heute noch zu findenden Werke werden unter dem Sammelnamen „Meister von Osnabrück“ zusammengefasst. Und auch die Belmer Pfarrkirche St. Dionysius profitiert davon (mehr dazu im nächsten Teil). Darüber hinaus gibt es noch weitere Veränderungen am eigentlich romanischen Kirchbau aus dem 13. Jahrhundert. Als gotisches Erbe sind bis heute erhalten: der Turmhelm, der an die Katharinenkirche in Osnabrück erinnert, das Maßwerkfenster an der Südseite des Chorraumes, und das Sakramentshäuschen (Tabernakel), das über längere Zeit „verschwunden“ war. Und am Ostgiebel befindet sich ein Fachwerk, dass zumindest in Teilen auf die Zeit um das Jahr 1506 datiert werden kann.
Das Kirchspiel Belm existierte seit etwa dem 9. Jahrhundert und bestand seitdem aus einigen kleinen Bauernschaften, aus denen sich im Laufe der Zeit die Gemeinden Belm, Powe, Icker, Vehrte, Haltern, Darum, Gretesch und Lüstringen bildeten. In diesem Gebiet lebten 1512 etwa 850 Einwohner in 156 (gezählten) Haushaltungen. Das Patronat über die Kirche einschließlich Mitspracherecht bei der Besetzung der Pfarrstelle oblag bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts der Reichsabtei Corvey bei Höxter.
von: Oliver Gervelmeyer